Finanzielle Sicherheit trotz schwächelnder Börse

Beat Wüst ist Leiter der Abteilung Vermögensanlagen bei der GastroSocial Pensionskasse. Im Interview nimmt er Stellung zum aussergewöhnlichen und historisch einmaligen Anlagejahr 2022, erklärt, weshalb das Geld unserer Versicherten nach wie vor in sehr guten Händen ist und stellt Prognosen für das Anlagejahr 2023. Wir wünschen eine anregende Lektüre.

Wie würden Sie das Anlagejahr 2022 zusammenfassen?

Im vergangenen Jahr standen die Anlagemärkte vor mehreren aussergewöhnlichen Herausforderungen. Die Pandemiephase, welche die Märkte über eine lange Zeit bis zum Ende des ersten Quartals 2022 stark beschäftigt hatte, trat in den Hintergrund und wurde abgelöst durch die geopolitischen Verschiebungen rund um die Invasion Russlands in die Ukraine, eine hartnäckig hoch bleibende Inflation und angespannte Arbeitsmärkte. Dies veranlasste die Notenbanken, die Geldpolitik zu straffen, was über alle Anlageklassen hinweg zu verbreiteten markanten Kursverlusten führte. Es handelte sich um eines der weltweit negativsten Anlagejahre für institutionelle Investoren seit dem Aufkommen regulierter Märkte.

«Sehr herausfordernd» trifft den Nagel auf den Kopf! Wie hat sich dies auf die Schweizer Pensionskassen im Allgemeinen ausgewirkt?

Pensionskassen erlitten Anlageverluste in der Grössenordnung von minus 10% – unabhängig davon, ob sie nun stärker in Aktien oder Obligationen investiert haben. Eine ausgeprägte Diversifikation unter Einbezug von Privatmarktanlagen wie auch direkte Immobilienanlagen halfen, die negative Entwicklung zu begrenzen, konnten die starken Verluste in den Hauptanlagebereichen jedoch nicht kompensieren. Die Verunsicherung war insbesondere bei vermeintlich konservativ positionierten Pensionskassen gross, da diese tendenziell sogar überdurchschnittliche Verluste erlitten.

«Das Jahr 2022 war eines der weltweit negativsten Anlagejahre für institutionelle Investoren seit dem Aufkommen regulierter Märkte.»



À propos Verluste: Viele Pensionskassen befinden sich nun in der Unterdeckung. Was macht die GastroSocial Pensionskasse richtig, damit ihr Deckungsgrad per 28. Februar 2023 immer noch bei 113.5% liegt?

Wir verfolgen seit vielen Jahren eine stetige Optimierung des Portfolios unter einer langfristigen und risikobewussten Optik, ohne das Renditepotenzial aus den Augen zu verlieren. Dadurch wies unser Portfolio ein unterdurchschnittliches Zinsänderungsrisiko auf. Ergänzend unterstützten bereits vor Jahren eingeführte defensive Anlagestrategien, welche wir zulasten der üblichen Aktienanlagen höher gewichteten. Ein über bald zwanzig Jahren stetig und umsichtig aufgebauter Privatmarktanteil trug ebenfalls wesentlich zu der weniger negativen Entwicklung des Portfolios bei. Kombiniert mit einer starken Ausgangslage anfangs 2022 – unser Deckungsgrad lag per 31. Dezember 2021 bei 126% – erlaubte es uns dies, kostspielige grössere kurzfristige Positionierungsanpassungen zu vermeiden und die Chancen für eine erfolgreiche Entwicklung über die nächsten Jahre weiter zu nutzen.

Die Versicherten der GastroSocial Pensionskasse müssen also nicht um ihr Geld bangen?

Es hat sich über die letzten Jahre gezeigt, dass eine hochentwickelte Anlagestrategie in Kombination mit effizienten, stabilen und kontrollierten Prozessen sowie einer motivierten und kompetenten Anlageorganisation dazu in der Lage ist, in ganz unterschiedlichen Marktphasen überdurchschnittliche Resultate zu erzielen. Durch die komfortable finanzielle Lage und den verantwortungsbewussten Umgang mit den anvertrauten Vorsorgevermögen sind wir überzeugt, unseren Versicherten eine vorteilhafte Ausgangslage bieten zu können.

Und wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein?

Die Unsicherheit an den Märkten wird in den nächsten Monaten hoch bleiben, dürfte sich jedoch in der zweiten Jahreshälfte bei Ausbleiben neuer Extremereignisse abschwächen. Damit ergeben sich nebst vielerlei Risiken auch mehr Anlagechancen als in ruhigeren Zeiten. Die Positionierung unseres Portfolios ist auf diese Phase einer volatilen Seitwärtsentwicklung ausgerichtet und sollte seine Stärken weiter ausspielen können.

«Durch die komfortable finanzielle Lage und den verantwortungsbewussten Umgang mit den anvertrauten Vorsorgevermögen sind wir überzeugt, unseren Versicherten eine vorteilhafte Ausgangslage bieten zu können.»

Was sind für Sie die grössten Herausforderungen, die es in unruhigen Zeiten wie diesen zu meistern gilt?

Es gilt, sich nicht durch kurzfristige Entwicklungen von strategischen Optimierungen des Portfolios ablenken zu lassen, um das Renditepotenzial nicht zu gefährden. Diese Haltung ist in unserer Kultur und den Prozessen verankert. Die Einflussfaktoren sind jedoch eng zu verfolgen, sodass jederzeit fundierte Entscheidungen getroffen werden können. Die Herausforderung besteht in der Abwägung, wie wir unter starken, kurz-, mittel- und langfristig wirkenden Einflüssen das bestmögliche Resultat für unsere Versicherten erzielen können.

Investments in Anleihen sind gegenüber Aktien mit den höheren Zinsen wieder attraktiv. Infrastrukturanlagen gewinnen vermehrt an Bedeutung. Inwiefern beeinflusst dies die Anlagestrategie der GastroSocial Pensionskasse?

Wir berücksichtigen die Entwicklung aller anlagerelevanten Einflussfaktoren fortlaufend und integrieren sie in der taktischen Positionierung wie auch in der Weiterentwicklung der Anlagestrategie. Auf die angestiegene Attraktivität des Anleihenbereichs haben wir reagiert, indem wir die Allokation graduell erhöht haben. Unsere Infastrukturinvestitionen befinden sich seit vielen Jahren in einer stetigen Aufbauphase, wodurch wir auf eine lange Erfahrung zurückgreifen und heute bereits ein umfangreiches Portfolio vorweisen können, welches einen wesentlichen Beitrag zum Gesamterfolg beitragen kann.

Wie sind Ihrer Meinung nach die Aussichten für 2023?

2023 ist ein herausforderndes Jahr, jedoch nicht in gleichem Ausmass wie das Vorjahr. Das bereits deutlich höhere Zinsniveau unterstützt die laufende Rendite in verschiedenen Anlageklassen, was eine vorteilhafte Basis in unsicheren Marktphasen bildet und institutionellen Portfolios tiefe einstellig positive Renditen ermöglichen dürfte.

Beat Wüst arbeitet seit 9 Jahren bei GastroSocial und leitet seit 2016 die Abteilung Vermögensanlagen. Davor führte er zwei Jahre lang das Team Wertschriften.

Er schloss an der Universität Zürich in Betriebswirtschaft ab und arbeitet seit mehr als 25 Jahren im Bereich Finanzen und Vermögensanlagen. An Fachkonferenzen referiert er regelmässig zu Anlagethemen von Pensionskassen.

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