«Wir unterscheiden uns im Anlagebereich deutlich vom Branchendurchschnitt»

Beat Wüst, Leiter Abteilung Vermögensanlagen bei GastroSocial, im Interview: Wie war das Anlagejahr 2021? Wie können Sie die Vermögensanlagen einer Pensionskasse beurteilen? Wie ist die GastroSocial Pensionskasse in punkto Kosten bei den Anlagen unterwegs? Zudem gibt Beat Wüst Auskunft darüber, inwiefern die Anlagestrategie durch die aktuelle globale Lage beeinflusst wird, wie es um das Verhältnis zwischen aktiv und passiv gemanagten Anlagen steht und wie die Aussichten für das Jahr 2022 sind.

Wie fassen Sie das Anlagejahr 2021 zusammen?

Zu Jahresbeginn hatte kaum jemand damit gerechnet, dass viele Pensionskassen eine historisch überdurchschnittlich hohe Rendite erzielen würden. Da wir in der von COVID-19 ausgelösten Marktkrisenphase im Vorjahr Fehlentscheide vermieden und bewusst mittelfristige Anlagechancen genutzt hatten, konnten wir 2021 eine weit über unserer Benchmark und über Marktvergleichswerten liegende Rendite erreichen, obwohl wir keine ausgeprägten einseitigen Positionierungen eingingen. Die Entwicklung der Pandemie, die Auswirkungen der damit zusammenhängenden Eindämmungsmassnahmen, das Kommunikationsverhalten der Notenbanken, wie auch fiskalpolitische Entwicklungen lieferten jedoch fortlaufend Herausforderungen für die Anlagemärkte und die Portfoliopositionierung.

Wie kann ein Broker die Vermögensanlagen einer Pensionskasse beurteilen? Wie erkennt man, ob die Pensionskasse im Bereich der Anlagen ihren Job gut macht, oder eben nicht?

Als Startpunkt kann die längerfristige Renditeentwicklung herangezogen werden. Idealerweise betrachtet man einen mehrjährigen gleitenden Durchschnitt und stellt diesen der jeweiligen Benchmark und Branchenwerten gegenüber. Ein einzelnes Jahr ist kaum aussagekräftig und die Schwankung zwischen Jahren ist bei einer Pensionskasse, abgesehen von auffallenden übermässigen Einbrüchen, ebenfalls kein gutes Beurteilungskriterium.

Als zweite Beurteilungsdimension eignet sich die Struktur des Portfolios. Wie hat sich diese über die Zeit verändert? Ist eine Evolution ohne unvermittelte Kehrtwendungen und eine vernünftige Diversifikation erkennbar, bzw. werden keine einseitigen Positionierungen eingegangen? Macht die Positionierung im Verhältnis zu den aktuellen und in den nächsten Jahren erwarteten anlageseitigen Rahmenbedingungen Sinn?

«Da wir in der von COVID-19 ausgelösten Marktkrisenphase im Vorjahr Fehlentscheide vermieden und bewusst mittelfristige Anlagechancen genutzt hatten, konnten wir 2021 eine weit über unserer Benchmark und über Marktvergleichswerten liegende Rendite erreichen.»


Was macht die GastroSocial Pensionskasse anders als andere Kassen?

Wir unterscheiden uns im Anlagebereich in vielerlei Hinsicht deutlich vom Branchendurchschnitt. Unsere Anlagetätigkeit ist stark geprägt von einem hohen Verantwortungsbewusstsein für die Bedeutung dieser Vorsorgekomponente für unsere Destinatäre und der Identifikation mit der Branche. Über kurze Entscheidungswege und effiziente Prozesse sind wir stark unternehmerisch ausgerichtet und optimieren das mittelfristige Renditepotenzial des Portfolios fortlaufend unter Nutzung von taktischen Chancen. Unsere Anlageabteilung vereint verschiedene Anlagekompetenzen intern und durch die laufende enge Verfolgung der anlageseitig relevanten globalen Einflussfaktoren und Marktentwicklungen können wir Anlageentscheide risikobewusst auf eine fundierte Marktmeinung abstützen.

Im Portfolio äussert sich dies in bewussten aktiven Allokationsanpassungen, in einer globalen Ausrichtung, einer tiefen Anleihequote, im Verzicht auf eine strategische Quote zu Kernstaatsanleihen und in einem langfristigen stetigen Aufbau von Privatmarktanlagen, welche heute bereits einen weit über dem Branchendurchschnitt liegenden Anteil aufweisen. Über qualitative und quantitative Überlegungen und Analysen richten wir unser Portfolio darauf aus, möglichst viele unterschiedliche Renditetreiber abzugreifen und vermeiden über eine hohe Diversifikation von Risiken stark einseitige Positionierungen.

Wie oft wird die Anlagestrategie angepasst?

Wir evaluieren jährlich, ob eine Weiterentwicklung der Strategie vorteilhaft wäre, um möglichst optimal für das Anlageumfeld der nächsten Jahre aufgestellt zu sein. Verändert wird sie meist alle drei Jahre. Dieser Zeitrahmen hat sich im dynamischen Anlageumfeld bewährt.

Wie steht es bei der GastroSocial Pensionskasse um das Verhältnis zwischen aktiv und passiv gemanagten Anlagen?

Wir setzen den überwiegenden Teil unserer Anlagen aktiv um, insbesondere kotierte Anleihen, um eine bessere Portfoliodiversifikation zu erzielen und Klumpenrisiken zu vermeiden. Bei unserem Anlagevolumen ist dies kostengünstig möglich.

Passive Anlagen kommen jedoch in effizienten Kernaktienmärkten und in regelbasiert umsetzbaren Anlagen zum Einsatz, wo wir keinen Mehrwert durch eine aktive Umsetzung erwarten und daher tiefste Kosten ins Zentrum stellen.

Wenn wir schon von passiv gemanagten Anlagen sprechen: Wird eher in kostengünstige ETFs («Exchange Traded Funds», zu Deutsch börsengehandelte Indexfonds) investiert oder in Fonds-Produkte?

Bei umfassender Kostenanalyse zeigt sich oft, dass institutionelle Anlagefonds gegenüber ETFs für eine grosse Pensionskasse im Gegensatz zur Situation bei Privatinvestoren kostengünstiger ausfallen. ETFs ermöglichen jedoch eine raschere Umsetzung in Marktkrisenphasen. Aus diesen Gründen kommen bei uns primär institutionelle Fonds zum Einsatz.

Wird viel in Themen-Fonds wie z.B. «Clean Energy», «Water» oder «Robotic» investiert? Und wird dabei darauf geachtet, dass einzelne Titel nicht doppelt oder sogar mehrfach investiert sind?

Wir gliedern unser Portfolio nicht nach Anlagethemen, sondern primär nach Anlageklassen und darunterliegend klassenspezifisch nach verschiedenen Dimensionen, setzen jedoch keine Themen-Fonds ein. Sogenannte Megatrends werden in verschiedenen Anlageklassen über unsere aktiven Ansätze durch interne und externe Portfoliomanager mitberücksichtigt. Damit ist gewährleistet, dass eine hohe Diversifikation bei Ausrichtung auf die Stärken des jeweiligen Anlageansatzes erreicht wird. Überlappungen entstehen dabei selten, da wir bei der Selektion von Anlagen auf Komplementarität achten.

Investiert die GastroSocial Pensionskasse noch stark in langlaufende Obligationen (Zinsänderungsrisiko)?

Wir halten das Zinsänderungsrisiko aktuell durch eine gegenüber den üblichen Benchmarks kürzere Duration tiefer und investieren daher deutlich weniger in langlaufende Anleihen, als das Gros der institutionellen Anleger. Wir erachten die derzeitige Entschädigung für das Zinsänderungsrisiko als wenig attraktiv.

Werden Anlagen in Fremdwährung abgesichert?

Unser Portfolio, welches auf eine risikobewusste Renditeoptimierung und eine hohe Diversifikation über verschiedene Dimensionen ausgerichtet ist, würde ohne Währungsabsicherungen ein nicht vertretbar hohes Wechselkursrisiko aufweisen. Daher sichern wir die globalen Hauptwährungen übergeordnet in Abwägung der damit verbundenen Kosten partiell ab.

Wo sehen Sie Chancen, wo Gefahren?

Im Anlagebereich bestehen immer vielerlei Chancen, die es zu erkennen und wahrzunehmen gilt, ohne Risiken zu vernachlässigen. Für die Branche bestehen im Anlagebereich jedoch vor allem drei bedeutende Risiken. Erstens sind das träge und langwierige Anlageentscheidungsprozesse, welche die Nutzung von Chancen behindern. Zweitens eine zu kurzfristige Orientierung, durch welche bedeutendes Renditepotenzial zugunsten einer tieferen Renditeschwankung aufgegeben wird und drittens ein zu hoher Anteil an Anleihen von Kernmärkten mit reduziertem Diversifikationseffekt und sehr tiefen bis negativen Renditeerwartungen. Wir vermeiden diese Risiken und suchen Chancen über eine verantwortungsvolle, risikobewusste Positionierung und Umsetzung

«Alles in allem rechnen wir trotz den aktuellen geopolitischen Spannungen und Marktverwerfungen rund um die Entwicklungen in der Ukraine mit einem Umfeld, welches einer Pensionskasse moderat positive Renditen ermöglicht.»


Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein und inwiefern beeinflusst dies die Anlagestrategie der GastroSocial Pensionskasse?

Wir befinden uns aktuell immer noch in einem Umfeld mit extrem tiefen Zinsen, die seit der globalen Finanzkrise 2008/09 vorherrschend sind. Ebenfalls sehen wir heute ein Umfeld ausserordentlich hoher Inflationswerte. Diese werden wieder zurückgehen, jedoch nicht auf die Tiefen wie vor 2021. Die Marktbewertungen sind heute in den meisten Bereichen trotz den Kursrückschlägen Anfang 2022 hoch und es ist immer noch viel Liquidität vorhanden, auch wenn die Notenbanken die Leitzinsen erhöhen und die Wertpapierkäufe wegen der erhöhten Inflationswerte zurückfahren werden. Alles in allem rechnen wir trotz den aktuellen geopolitischen Spannungen und Marktverwerfungen rund um die Entwicklungen in der Ukraine mit einem Umfeld, welches einer Pensionskasse moderat positive Renditen ermöglicht.

Zusammenfassend kann man sagen, dass wir künftig weniger in Anleihen (insbesondere Staatsanleihen von Kernmärkten) und dafür vermehrt in Realwerte wie etwa Aktien, Infrastrukturanlagen und Immobilien investieren werden und der Anteil an Privatmarktanlagen steigen wird. Zudem werden wir unser Portfolio insgesamt noch globaler aufstellen.

Welche Vorteile für die Versicherten bringt die GastroSocial Pensionskasse?

Uns ist die grosse Verantwortung im Umgang mit Pensionskassengeldern bewusst. Wir handeln risiko- und verantwortungsbewusst, um mit möglichst hoher Sicherheit langfristig eine überdurchschnittliche Rendite zu erzielen. Unser motiviertes Team besteht aus kompetenten Fachleuten, welche die Branche bestens kennen.

Wie ist die GastroSocial Pensionskasse in punkto Kosten bei den Anlagen unterwegs?

Mit Vermögensverwaltungskosten von 0.61% bewegen wir uns im Mittelfeld. Der Kostensatz alleine betrachtet ist jedoch nicht aussagekräftig. Entscheidend für die Destinatäre ist die Nettorendite. Bei einem höheren Anteil alternativer Anlagen, welche typischerweise mit einem höheren Renditepotenzial und einer besseren Anlagediversifikation einhergehen, erhöhen sich die Vermögensverwaltungskosten, aber unter dem Strich verbleibt eine höhere Nettorendite. Wir fokussieren uns auf diese.

Welche Trends sehen Sie im Anlagebereich?

Drei Trends prägen das institutionelle Anlageverhalten über die nächsten Jahre:

  • Privatmarktanlagen werden sowohl bei uns als auch in der Vermögensanlage generell weiter an Bedeutung zunehmen. Dies bringt Vorteile in der Diversifikation und bezüglich der Portfoliorendite.
  • Portfolios werden durch bewusste Entscheide und ständige Optimierungen von jedem einzelnen Portfoliomanager nachhaltiger.
  • Fundierte Anlageentscheide basierend auf effizienten Entscheidungsprozessen werden vermehrt zu einem Wettbewerbsvorteil für Pensionskassen mit einer schlagkräftigen Anlageorganisation.

«Für das Jahr 2022 werden die Inflation und die Abkoppelung Russlands von den Weltmärkten grosse Themen bleiben.»


Wie sind Ihrer Meinung nach die Aussichten für 2022?

Es wird mit Sicherheit ein sehr intensives und spannendes Jahr, wobei dies im Anlagebereich meistens der Fall ist. Entwicklungen sind teilweise vorhersehbar, es gibt aber auch unerwartete Wendungen wie dazumal das erstmalige Auftauchen von COVID-19 oder das Ausmass der Eskalation des Ukrainekonflikts. Für das Jahr 2022 werden die Inflation und die Abkoppelung Russlands von den Weltmärkten grosse Themen bleiben. Die Unsicherheit zur weiteren Entwicklung der Geldpolitik wird abnehmen, während die Ukrainekrise verschiedene Marktbereiche längerfristig beeinflussen wird. Für Unternehmen, die in den meisten Teilen der Welt stark aufgestellt sind, wird wohl trotz grossen Herausforderungen ein fundamental moderat positives Umfeld vorherrschen.