Neue Arbeitsformen – neue Herausforderungen für die Pensionskasse
Arbeiten, wie es zur Lebensform passt: Die Generation Z stellt neue Anforderungen – auch an die berufliche Vorsorge. Wie reagieren Arbeitgebende und Pensionskassen?

Wandel im Arbeitsleben: Flexibler, individueller, später
Die Generation Z bringt Bewegung ins Arbeitsumfeld: sie legt mehr Wert auf Lebensqualität und sucht nach sinnstiftenden Tätigkeiten, Teilzeitmodellen oder gar parallelen Anstellungen. Auch längere Ausbildungsphasen und berufliche Auszeiten wie Sabbaticals gehören heute vermehrt zur Realität. Diese neuen Arbeitsmodelle treffen auf ein Vorsorgesystem, das ursprünglich auf ein durchgängiges Erwerbsleben in Vollzeit ausgelegt war – mit klaren Auswirkungen auf die Pensionskasse.
Neue Arbeitsmodelle und berufliche Vorsorge
Die berufliche Vorsorge (2. Säule) ist eng an das Erwerbseinkommen geknüpft. Flexible Arbeitsmodelle führen deshalb häufig zu geringeren versicherten Löhnen – mit direkten Auswirkungen auf das Altersguthaben. Die folgenden vier Konstellationen sind besonders relevant:
Wie wirkt sich ein später Berufseinstieg auf die Vorsorge aus?
Wer nach mehreren Studiengängen oder Orientierungsphasen spät ins Berufsleben eintritt, beginnt auch später mit dem Aufbau der Altersvorsorge. In der beruflichen Vorsorge ist es jedoch möglich, fehlende Beitragsjahre durch freiwillige Einkäufe nachzuholen – vorausgesetzt, das Pensionskassenreglement sieht dies vor. Der Gesetzgeber unterstützt solche Einkäufe mit steuerlichen Vorteilen.
Beispiel
Eine Person, die im Alter von 30 Jahren ins Berufsleben eintritt, kann – falls finanziell möglich – Einkäufe in ihre Pensionskasse tätigen, um die Vorsorgelücke zu schliessen. Dies ist eine der wenigen Möglichkeiten, Altersguthaben gezielt zu verbessern.
Wie wirkt sich Teilzeitarbeit auf die Vorsorge aus?
Teilzeitarbeit ist in der Generation Z besonders beliebt – birgt aber erhebliche Vorsorgerisiken:
- Eintrittsschwelle: Erst ab einem Jahreslohn von CHF 22’680.– (Stand 2025) beginnt die obligatorische Versicherung nach BVG. Wer darunter liegt, ist nicht in der Pensionskasse versichert.
- Koordinationsabzug: Vom Bruttolohn wird ein Koordinationsabzug (derzeit CHF 26’460.– pro Jahr) abgezogen. Nur der darüberliegende Lohnanteil wird versichert. Teilzeitangestellte mit mehreren kleineren Löhnen sind dadurch oft benachteiligt.
Beispiel
Eine Person mit einem 60%-Pensum und einem Jahreslohn von CHF 36’000.– hat nach Koordinationsabzug nur CHF 9’540.– als versicherten Lohn – also weniger als ein Drittel des Einkommens.
Lösungsansätze
- Viele moderne Pensionskassen passen den Koordinationsabzug proportional zum Beschäftigungsgrad an oder verzichten ganz darauf, um Teilzeitangestellte besser abzusichern. Die Anpassung des Koordinationsabzug ist relativ unkompliziert und die Kosten kalkulierbar.
- Allenfalls kann auch die Eintrittsschwelle entsprechend reduziert werden. Dies kommt jedoch eher selten zum Tragen, da sich bei tiefen Löhnen zurecht die Frage stellt, inwiefern sich die administrativen Kosten für das eher geringe Sparpotenzial für Arbeitgebende und Arbeitnehmende lohnen.
- Die Politik reagierte ebenfalls: Die BVG-Revision hätte den Koordinationsabzug durch einen prozentualen Ansatz von 20% des AHV-Lohnes ersetzt. Die Vorlage wurde jedoch im Jahr 2024 abgelehnt. Eine langfristige Reform des Koordinationsabzug bleibt nötig. Kurzfristig liegt es bei Arbeitgebenden und Pensionskassen, flexible Lösungen umzusetzen.
Im untenstehenden Beispiel wird aufgezeigt, wie sich die Kosten entwickeln könnten bei der Reduktion des Koordinationsabzugs und unter Vernachlässigung der Eintrittsschwelle:
Musterbetrieb 5 Personen Standardplan BVG-Minimum | |||||||||
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Voller Koordinationsabzug Eintrittsschwelle gemäss BVG | Koordinationsabzug gemäss Pensum Eintrittsschwelle gemäss BVG | Koordinationsabzug gemäss Pensum keine Eintrittsschwelle | |||||||
Geschlecht | Jahrgang | AHV-Lohn | Arbeitspensum | Vers. Lohn | Kosten | Vers. Lohn | Kosten | Vers. Lohn | Kosten |
Frau | 1965 | 72’000.– | 100 | 45’540.– | 9’108.– | 45’540.– | 9’108.– | 45’540.– | 9’108.– |
Mann | 1972 | 68’000.– | 100 | 41’540.– | 7’062. – | 41’540.– | 7’062.– | 41’540.– | 7’062.– |
Frau | 1980 | 53’000.– | 70 | 26’540.– | 3’185.– | 34’478.– | 4’137.– | 34’478.– | 4’137.– |
Mann | 1993 | 33’000.– | 50 | 6’540.– | 589.– | 19’770.– | 1’779.– | 19’770.– | 1’779.– |
Frau | 1998 | 20’000.– | 30 | - | - | - | 1’086.– | 12’062.– | 1’086.– |
Total | 246'000.– | 19’943.– | 22’086.– | 23’172.– | |||||
Kosten in % der AHV-Lohnsumme | 8.11% | 8.98% | 9.42% | ||||||
Mehrkosten für Arbeitgeber | 1’071.63.– | 4.49% | 1’614.42.– | 4.71% |
Wie wirken sich unbezahlter Urlaub und Sabbaticals auf die Vorsorge aus?
Berufliche Auszeiten sind gefragter denn je – ob zur Weiterbildung, für Reisen oder zur persönlichen Neuorientierung. Für die berufliche Vorsorge bedeutet dies eine Beitragsunterbrechung, wenn keine Vorkehrungen getroffen werden.
Viele fortschrittliche Vorsorgepläne ermöglichen eine Weiterversicherung während eines unbezahlten Urlaubs, meist bis zu 12 Monaten. Die versicherte Person kann wählen zwischen:
- nur Risikoversicherung (Tod und Invalidität)
- Risikoversicherung plus Sparversicherung (Altersguthaben wird weiter aufgebaut)
Die Kosten trägt in der Regel die versicherte Person – inklusive des Arbeitgeberanteils. Das kann finanziell anspruchsvoll sein, ist aber entscheidend, um Vorsorgelücken zu vermeiden.
Die Weiterversicherung verursacht dem Arbeitgebenden keine Mehrkosten und kann deshalb im Vorsorgeplan grundsätzlich vorgesehen werden.
Fehlt eine solche Regelung, kann sich die Person freiwillig bei der Stiftung Auffangeinrichtung BVG versichern lassen. Auch hier stehen Risikoversicherung oder kombinierte Lösungen zur Verfügung.
Wie wirkt sich die Arbeit bei mehreren Arbeitgebern auf die Vorsorge aus?
Wer mehreren Teilzeitstellen nachgeht, stösst häufig auf administrative Hürden:
- Doppelter Koordinationsabzug: Jede Pensionskasse zieht den vollen Abzug ab, auch wenn die Löhne zusammen ein normales Pensum ergeben.
- Nicht erreichte Eintrittsschwelle: Einzelne Löhne bleiben unter CHF 22’680.–, weshalb keine Versicherungspflicht entsteht – trotz ausreichendem Gesamteinkommen.
Resultat: Viele Arbeitnehmende bauen kein oder nur wenig Altersguthaben auf, obwohl sie gesamthaft ein ausreichendes Einkommen erzielen.
Lösungsansätze
- Art. 46 BVG erlaubt es, sich bei einer der bestehenden Vorsorgeeinrichtungen freiwillig für den Gesamtlohn zu versichern – allerdings nur, wenn das Reglement dies zulässt. Die meisten Pensionskassen schliessen das aus, u.a. wegen administrativer Komplexität und Inkassorisiken bei Drittarbeitgebenden.
- Auffangeinrichtung BVG: Die versicherte Person kann sich dort freiwillig versichern – dann allerdings mit Beteiligung der jeweiligen Arbeitgebenden an den Kosten.
Vielen Versicherten und Arbeitgebenden ist diese Möglichkeit nicht bekannt. Hinzu kommt: Gerade bei Geringverdienenden steht das Interesse an einem höheren Nettolohn kurzfristig im Vordergrund – Vorsorge hat oft keine Priorität.
Was können Arbeitgebende für die berufliche Vorsorge tun?
In Zeiten von Fachkräftemangel ist eine moderne und flexible berufliche Vorsorge ein wichtiges Argument im Wettbewerb um Talente. Besonders junge Mitarbeitende erwarten ein Vorsorgemodell, das zu ihrem Lebensstil passt.
Welche Vorsorgemassnahmen sind sinnvoll und einfach umsetzbar?
- Weiterversicherung bei unbezahltem Urlaub ermöglichen: Diese Option ist heute Standard bei fortschrittlichen Vorsorgeplänen. Für Arbeitgebende entstehen dabei keine zusätzlichen Kosten, da die versicherte Person sowohl den Arbeitnehmer- als auch den Arbeitgeberanteil übernimmt.
- Koordinationsabzug an Teilzeitgrad anpassen oder streichen: So wird der versicherte Lohnanteil auch bei kleineren Pensen erhöht. Das verbessert die Altersvorsorge und schützt gleichzeitig bei Tod oder Invalidität. Wichtig: Die prozentualen Kosten bleiben für den Arbeitgebenden vergleichbar mit einer Vollzeitanstellung.
- Mitarbeitende informieren: Viele Arbeitnehmende kennen ihre Vorsorgemöglichkeiten nicht. Aufklärung über freiwillige Einkäufe, Weiterversicherung und Zusatzlösungen lohnt sich – auch im Rahmen von Mitarbeitergesprächen.
Grenzen bleiben jedoch bestehen
Die Versicherung bei mehreren Arbeitgebenden ist weiterhin kompliziert. Ohne gesetzliche Vereinfachung bleibt dies in erster Linie Sache der versicherten Person. Auch freiwillige Versicherungen bei der Auffangeinrichtung BVG sind nur wenig bekannt und werden selten genutzt.
Vorsorge braucht neue Antworten
Die heutige Lebensrealität ist vielfältig, dynamisch und nicht mehr auf eine 100%-Stelle ausgerichtet. Die berufliche Vorsorge muss darauf reagieren – sei es durch flexiblere Reglemente, moderne Vorsorgepläne oder gezielte Information der Versicherten.
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